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Papierbestände
Wyborada Frauenbibliothek
Signatur AFGO.063
Entstehungszeitraum 1986 - 2014
Umfang 1 m
Provenienz Wyborada Frauenbibliothek
Subprovenienz 1: Treffen der Frauen-Bibliotheken und -Archive in der Schweiz
Subprovenienz 2: Wiberrat
Subprovenienz 3: Vollversammlung der feministischen Frauengruppen in der Stadt St.Gallen
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben

Im Mai 1986 gründete eine Gruppe von Frauen den Verein "Frauenbibliothek Wyborada" mit Sitz in St.Gallen. Der Name "Wyborada" ist abgeleitet von der Inklusin Wiborada, die sich 916 in St.Mangen einschliessen liess. Sie sah den Hunnen-Überfall auf die Stadt voraus und veranlasste die Kloster- und Bürgersleute zu fliehen und dabei ihre Bücher zu retten. Wiborada wurde 1047 heiliggesprochen, sie ist die Patronin der Bibliotheken und der Bibliophilie.

1986 lautete der Zweckartikel: Zweck des Vereins ist die Errichtung und der Betrieb einer selbstverwalteten Frauenbibliothek, einer Informations- und einer Dokumentationsstelle und eines Archivs. Die Wyborada will den Zugang zu feministischer Literatur und Theorie fördern und Frauengeschichte und Frauenaktivitäten regional und allgemein dokumentieren. Schwerpunkte bilden ausserdem die Themenbereiche Literatur und Kunst, Bücher von und über Frauen in anderen Kulturen, Frauenarbeit sowie nicht-sexistische Kinder- und Jugendbücher.
Die Wyborada will Bildungs- und Begegnungsort sein. Hier sollen sich Frauen verschiedenster sozialer und kultureller Herkunft und unterschiedlicher sexueller Präferenzen treffen. Sie soll Raum bieten für Studium, Lesungen, Ausstellungen, Veranstaltungen und Sitzungen. Wichtig ist zuudem die Vernetzung mit anderen Frauen-Bibliotheken und ähnlichen Institutionen.
Um seine Ziele zu realisieren bemüht sich der Verein primär um Unterstützung durch die öffentliche Hand, sucht aber auch Finanzierungsmöglichkeiten über private Spender/innen.
1991, fünf Jahre nach der Gründung, zählte der Verein über 600 Mitfrauen.

Im September 1986 bezog die Gruppe das Lokal der ehemaligen Bäckerei Stiefel an der Harfenbergstrasse 17. Die Eröffnung der Frauenbibliothek erfolgte im Februar 1987. Die Bibliothek wurde nach allgemeinen bibliothekarischen Grundsätzen professionell aufgebaut. Die Wyborada-Frauen organisierten Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Weiterbildungen und vergassen dabei auch das Festen nicht.
Während zweier Jahre arbeitete die Betriebsgruppe unentgeltlich. 1989 und 1990 konnte sie einen Startbeitrag der Stadt St.Gallen von 40'000.-- für die Einrichtung, die Infrastruktur und den Bucheinkauf nutzen. Seit 1991 leistete die Stadt St.Gallen einen jährlich wiederkehrenden Beitrag von 20'000.--, der ab 1996 auf 40'000.-- erhöht wurde. Die Erhöhung ist nicht zuletzt auf die höheren Mietkosten zurückzuführen aufgrund des Umzuges 1995 in grössere Räume im ehemaligen Lagerhaus an der Davidstrasse. So fliesst ein grosser Teil des Betrages (ca. 15'000.--) wieder an die Stadt bzw. ans Liegenschaftenamt zurück.
Das Amt für Kultur des Kantons St.Gallen wie auch der Kantonsrat lehnten ähnliche Beiträge an die Wyborada jeweils strikte ab.
Die Betriebsgruppe machte 1995 eine Zwischenanalyse: Innerhalb von knapp zehn Jahren hat sich die Wyborada als Frauenbibliothek etabliert. Sie ist eine anerkannte kulturelle Instiution in der Stadt St.Gallen und bildet einen wichtigen Bestandteil der nicht-etablierten Kultur. In der Bbiliothek stehen ca. 7'000 Monographien, davon sind 2/3 belletristische Werke, 1/3 Sachbücher sowie ein kleiner Anteil Jugend- und Kinderbücher. Die Wyborada tritt regelmässig als Veranstalterin verschiedener Anlässe an die Öffentlichkeit.

Mitte der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre bot die Frauenbibliothek unterschiedlichsten Gruppen Raum für Sitzungen. Sie war damit ein wichtiger Kommunikations-Ort sowohl für Frauen wie für Männer. Die Betriebsgruppe beteiligte sich in diesen Jahren intensiv an Diskussionen und Aktionen zur städtischen Kulturpolitik. Die Situation veränderte sich in den 1990er-Jahren, als immer mehr Gruppen eigene Räume beziehen konnten und sich für einzelne Gruppen die finanzielle Situation etwas entspannte aufgrund einer sich verändernden städtischen und kantonalen Kulturpolitik.
Die Wyborada-Aktivistinnen vernetzten sich mit anderen feministischen Gruppierungen in der Stadt an Aktionen und Interventionen. Gegen Ende der 1990er-Jahre flaute diese Politik etwas ab und die Wyborada-Frauen besannen sich wieder auf ihre Kernkompetenzen.
Seit 1997 steht ein Computer öffentlich zur Verfügung und interessierte Frauen werden in der Arbeit am Bildschirm unterstützt. Im selben Jahr wurde eine Fonothek aufgebaut mit Sammlungen von Werken verschiedener Komponistinnen und Musikerinnen. Bis Ende 2000 wurde der bisherige Zettelkatalog elektronisch erfasst. Das gesamte Leihwesen wird ebenfalls elektronisch abgewickelt.
Im Jahr 2001 entschied sich die Betriebsgruppe, die Organisation und ihre Strukturen professionell zu analysieren.
2002 wurde die Frauenbibliothek an die "Zukunftwerkstatt" betr. mögliche Perspektiven des Bibliothekswesens im Kanton St.Gallen eingeladen. Dieser Schritt war gleichzeitig eine Anerkennung der Frauenbibliothek Wyborada als kleine aber relevante Bibliothek.

Dem Anspruch, eine Dokumentationsstelle und ein Archiv zu führen, konnte die Frauenbibliothek nicht gerecht werden. Sowohl die personellen wie die materiellen Ressourcen waren zu knapp. Konsequenterweise wurde das bisher gesammelte Material an das Archiv für Frauen- und Geschlechtergeschichte übergeben.
Die Betriebsgruppe ist in einer flachen, informellen Hierarchie strukturiert. In den Anfängen bestand sie aus acht bis zwölf Frauen, die einzelne Aufgabenbereiche übernahmen (Bibliothekarische Arbeiten, Administration und Korrespondenz, Buchhaltung, Finanzmittelbeschaffung, Organisation von Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung etc.). Bald einmal kamen die sogenannten Hütefrauen hinzu, wobei die Kompetenzen nicht immer klar voneinander abzugrenzen waren. Seit Herbst 2003 arbeitet eine Frau mit 30 Stellenprozenten in fester Anstellung. Sie wird in ihrer Arbeit von Vorstand und Hütefrauen unterstützt.
(Quellen: Selbstdarstellungen, Jahresberichte)

Der Bestand enthält die Namen der folgenden Personen:

Präsidentin 1986-1996: Sabine Schreiber
Präsidentin 1987-2000: Sandra Tschümperlin
Seit 2001 amtiert keine Präsidentin mehr. Die Hauptversammlung vom 24.2.2001 entschied, dass jeweils eine Frau bestimmt werden soll, die die Wyborada nach aussen vertritt.

Kassierin 1986: Rippstein-Trescher Erika
Kassierin 1987-1996: Kempter-Frischknecht Monica
Kassierin 1997-1998: Claudia Bischofberger
Kassierin 1999-2001: Sara Wissmann
Kassierin ab 2001: Hanne Hidber

Projektgruppe April bis Mai 1986:
Bock-Thurnherr Brigitte; Bürkler-Meier Verena; Eugster Annabrit; Jäggi-von Hartz Irene; Lieberherr Monika; Rippstein-Trescher Erika; Santschi Judith; Schreiber Sabine; Werz Marlis; Widmer Marina
Ab Juli 1986 beteiligen sich die Frauen der Werkstatt Frauensprache (siehe auch AFGO.029) am Aufbau der Frauenbibliothek:
Hidber Hanne; Niklaus Alice; Schütter-Schwager Ruth; van Westing Hilde

Betriebsgruppe ab Okt.1986 bis Dez.1987 (nicht alle Frauen waren gleichzeitig aktiv):
Bischof Gisela; Bock-Thurnherr Brigitte; Bock-Würth Claudia; Bürkler-Meier Verena; Eugster Annabrit; Hidber Hanne; Höhener Marianne; Huber-Strelow Ingrid; Hunn Marguerite; Jäggi-von Hartz Irene; Kempter-Frischknecht Monica; Kunath Mechthild; Landolt-Starke Marion; Meili Marianne; Niklaus Alice; Perini Claudia; Rippstein-Trescher Erika; Schreiber Sabine; Schütter-Schwager Ruth; van Westing Hilde; Werz Marlis; Widmer Marina

Betriebsgruppe 1988 bis 89 (nicht alle Frauen waren gleichzeitig aktiv):
Bischof Gisela; Bock-Thurnherr Brigitte; Bock-Würth Claudia; Bräuniger Meier Renate; Eugster Annabrit; Grob Monika; Hardegger Barbara; Hidber Hanne; Hirschauer Heidemarie; Jäggi-von Hartz Irene; Kempter-Frischknecht Monica; Kunath Mechthild; Leu Agnès; Meier-Bürkler Verena; Niklaus Alice; Perini Claudia; Schreiber Sabine; Stieger Susi; Werz Marlis; Widmer Marina

Wahlen Betriebsgruppe 1990:
Bock-Thurnherr Brigitte; Bock-Würth Claudia; Bräuniger Renate; Bürkler-Meier Verena; Giger Sibylla; Jäggi-von Hartz Irene; Kempter-Frischknecht Monica; Koch-Biber Katja; Kritzer Brunhilde; Kunath Mechthild; Schegg Lisi; Schreiber Sabine; Stieger Susi; Widmer Marina

Betriebsgruppe 1991 bis 1992 (nicht alle Frauen gleichzeitig aktiv):
Bock-Würth Claudia; Bürkler-Meier Verena; Giger Sibylla; Kempter-Frischknecht Monica; Koch-Biber Katja; Kritzer Brunhilde; Kunath Mechthild; Schegg Lisi; Schelling Claudia; Schreiber Sabine; Stieger Susi; Widmer Marina

Betriebsgruppe 1993/95:
Bock-Würth Claudia; Giger Sibylla; Gubler Esther; Karrer Astrid; Kempter Luz Monica; Koch-Biber Katja; Kritzer Brunhilde; Lauper Ruth; Lux Bea; Oestreicher Liselotte; Pausch Wiebke; Schär Brigitte; Schelling Claudine; Schreiber Sabine; Schwarz Silv; Stieger Susi

Betriebsgruppe 1996/97:
Bischofberger Claudia; Bock Würth Claudia; Bösch Barbara; Frehner Rosmarie; Kempter Luz; Kritzer Brunhilde; Lauper Ruth; Ortego Monse; Pausch Wiebke; Roemmel Claudia; Schmid Yvonne; Schreiber Sabine; Stieger Susi; Tschümperlin Sandra; Zutt Lisa

Wahlen Betriebsgruppe 2002:
Lindner Margadant Alexa; Neukomm Verena; Ressl Erika; Tschümperlin Sandra

2003 Wahl einer fest angestellten Sachbearbeiterin (30 Stellenprozente):
Gabi Beeler, St.Gallen

Bestandsgeschichte Die Unterlagen der Frauenbibliothek Wyborada wurden dem Archiv für Frauen- und Geschlechtergeschichte im Oktober 2002 von einem Mitglied des Vorstandes übergeben. Einzelne Dossiers wurden nachträglich vervollständigt (Kopien). Die Originale befinden sich weiterhin im Archiv der Frauenbibliothek Wyborada an der Davidstrasse 42 (Stand Dezember 2003).
Form und Inhalt Der Bestand enthält: Selbstdarstellungen; Protokolle; Jahresberichte; Protokolle der Hauptversammlungen; Unterlagen zu Eingaben bei Stadt und Kanton St.Gallen betr. Finanzierung; Unterlagen betr. Suche nach grösseren Räumen 1991-1995; Unterlagen zu den Subprovenienzen; einzelne Periodika; Dokumentationen zu:
- Aufklärung. Schwangerschaft; Schwangerschaftsabbruch; Mutterschaft
- Frauenbewegung
- Friedens-Politik
- Justizprozesse in Deutschland (u.a. gegen Betreiberinnen des Archivs zu Bevölkerungspolitik und Gentechnologie in Essen, 1987)
- Lesben
- Aufklärung. Schwangerschaft. Schwangerschaftsabbruch. Mutterschaft
- Prostitution
- Dienstmädchen
Bewertung und Kassation Kassiert wurden Dubletten; Dokumentation Mutterschaft ohne Zwang und gemischte Flugblätter (ohne innere Ordnung) zu diversen feministischen Veranstaltungen (ohne St Gallen/Ostschweiz-Bezug); Buchhaltung; Unterlagen AHV ca. 2006-2012; Unterlagen Unfallversicherung, ca. 2006-2012; Unterlagen BVG, ca. 2006-2012; Unterlagen IV, ca. 2009-2012
Neuzugänge Nachlieferungen erfolgten im Januar 2004, August 2011, Januar 2015, August 2018, März 2021, Dezember 2022 und März 2023. Es werden weitere Nachlieferungen erwartet.
Zugangsbestimmungen Der Bestand ist im Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz ohne Benutzungseinschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift Deutsch
Verwandtes Material Zu weiteren Projekten/Körperschaften im Umfeld der Wyborada Frauenbibliothek siehe auch:
AFGO.029: Werkstatt Frauensprache
AFGO.069: Dokumentationsstelle zur Geschichte der Frauen in der Ostschweiz (19./20.Jhdt.)
Unterlagen zur Projektentwicklung des Archivs für Frauen- und Geschlechtergeschichte Ostschweiz
Bearbeiter:in und Zeitraum der Verzeichnung Sabin Schreiber, 23.12.2003
Überarbeitung: Adriana Lusti, 15.06.2023
Verzeichnisgrundsätze

Bis ins Jahr 2010 verwendete das Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte bei der Erschliessung ein standardisiertes Klassifikationsschema mit einem vorgegebenen Dezimalsystem für die verschiedenen Kategorien (z.B. 10 = Selbstdarstellungen, 20 = Statuten/Reglemente). Die Seriennummern und -titel, der bis 2010 erfassten Bestände, basieren auf diesem Klassifikationsschema:

Eine weitere Besonderheit der Verzeichnung: Um die Namen von Frauen gezielt zu dokumentieren, wurde in den zuvor verwendeten Findmitteln jeweils ein eigenes Feld („Namenskarte“) definiert. Die Informationen sind nun im Feld „Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben“ zu finden.

Die Verzeichnung folgt dem internationalen Archivstandard ISAD(G).