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Papierbestände
St.Gallische Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz
Signatur AFGO.062
Entstehungszeitraum 1910 - 2003
Umfang 1.4 m
Provenienz St.Gallische Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz
Subprovenienz 1: Zentrale Frauenhilfe; vgl. auch AFGO.036: Frauenzentrale Kanton St.Gallen
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben

Bezeichnungen:
1909-1964: St.Gallische Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz bzw. Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz St.Gallen
1964-2001: Beratungsstelle und Sozialdienst für Frauen und Familien
ab 2002: Verein Beratungsstelle für Familien

Die "St.Gallische Vereinigung für Kinder und Frauenschutz" wurde 1909 gegründet. Die erste Vorsitzende und Gründerin war Bertha Bünzli.
Der Zweckartikel der Statuten von 1910 lautet: 1a. Kinderschutz: 1. Schutz des Kindes gegen Misshandlung, Verwahrlosung, Ausbeutung, sittliche Gefährdung und Massnahmen gegen körperliche und geistige Schädigungen, die daraus erwachsen. 2. Anbahnung zweckmässiger Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher. b) Frauenschutz: Schutz der Frau gegen Misshandlung, Ausbeutung, sittliche Gefährdung. Schutz der Mutterschaft (rechtliche und moralische Hilfe für verlassene und unverehelichte Mütter). c) Beteiligung an Bestrebungen und Einrichtungen, welche die tatsächliche oder rechtliche Stellung von Kindern und Frauen in allgemeiner Weise zu verbessern geeignet sind.

Das Wirkungsfeld der Vereinigung bestand auf dem Gebiet der sozialen Wohlfahrt und der Fürsorge. Mit der "Gemeinnützigen Gesellschaft" und der "Pro Juventute" arbeitete sie eng zusammen. Die Vereinigung war Kollektivmitglied der "Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz". Diese wurde 1908 unter Beteiligung verschiedener Sittlichkeitsvereine, des "Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins" und der "Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft" gegründet. 1918/19 stimmte der Vorstand des St.Gallischen Vereins der Fusion der beiden grossen schweizerischen Jugendfürsorgeverbände, "Pro Juventute" und "Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz" zu. Die st.gallische Vereinigung blieb als solche bestehen, "sucht aber gemeinsam verbindende Arbeit mit dem Bezirkssekretariat Pro Juventute St.Gallen."

1920 strukturierte sich die Vereinigung in: 1.Sekretariat für Kinder- und Frauenschutz; 2. Sekretariat Kinderheim Hofberg (in den Jahresberichten 1920-1925 erwähnt); 3. Allgemeine Volks-Arbeitswerkstätte (1915-1957), ab 1958 "Freizeitwerk St.Gallen" (bis 1965). Ab 1965 kommen die "Unentgeltliche Rechtsauskunft für Unbemittelte" (ab 1976: "Unentgeltliche Rechtsauskunft") und die "Informationsstelle für Ausländer" (ab 1996 "... für Ausländer/innen", ab 1998 ausgegliedert) hinzu. Die Informationsstelle für Ausländer/innen entstand in Zusammenhang mit der 1965 von Stadtrat G. Enderle veranlassten "Arbeitsgemeinschaft für Ausländerfragen", die der Stelle angegliedert wurde.
1965-1975 lautete der Titel des Tätigkeitsberichtes: "Private Sozialdienste berichten über ihre Tätigkeit". Er wurde von der "Beratungsstelle und Sozialdienst für Frauen und Familien" und der "Pro Juventute" gemeinsam herausgegeben. Am Jahresbericht 1965/66 war auch die "Frauenzentrale" beteiligt.

In den Anfängen bestand das Sekretariat des Kinder- und Frauenschutz aus zwei Personen: der Sekretärin und einem Rechtsbeistand. Neben der Bearbeitung juristischer Fragen wurden persönliche Beratungen gemacht und materielle Hilfe geleistet.
Anlässlich der Einführung des neuen Zivilgesetzbuches ZGB 1912 wurde der Kinder- und Frauenschutz in einzelnen Bereichen entlastet: Die neu eingesetzte Amtsvormundschaft übernahm Vaterschaftsklagen und die Fürsorge für "uneheliche" Mütter und Kinder. Die amtlichen Jugendschutzkommissionen im Kanton übernahmen einzelne Fälle sowie das Alimenten-Inkasso. Der Jahresbericht 1918/19 hielt jedoch fest, dass der Gesetzesspruch in der Praxis oft versage, weshalb "hin und wieder eine vermittelnde, immer wieder Nachschau haltende Privatarbeit einspringen und mithelfen muss."

Die erste Sekretärin, Stefanie Bernet, prägte den St.Gallischen Kinder- und Frauenschutz massgeblich. Stefanie Bernet initiierte 1915 "Volkswerkstätten" und "Weihnachtswerkstätten", ab 1920 die "Arbeitslosenwerkstätten". Mitellose Familien hatten hier die Möglichkeit, Alltagsgegenstände zur reparieren oder fast kostenlos Kinderspielzeug herzustellen. Ab 1957 lautete der Name "Freizeitwerk St.Gallen". 1919 gründete Stefanie Bernet auf privater Basis das "Ruehüsli" in Gais. In den ersten Jahren wurde die 1.Sekretärin von der 2.Sekretärin Meta Schuster unterstützt, die 1929-1932 für die schwer erkrankte Stefanie Bernet einsprang. 1933-1957 führte Elsa Wyler das Sekretariat, zeitweise übernahm sie zusätzlich das Sekretariat der "Frauenzentrale".
1958-1969 leitete Berta Hohermuth den Kinder- und Frauenschutz.
1958 legten der Kinder- und Frauenschutz und die Pro Juventute ihre Sekretariate in einer Bürogemeinschaft zusammen. Berta Hohermuth baute die Stelle laufend aus. Mit ihrem Weggang 1968 wurde die gemeinsame Stellenleitung mit der "Pro Juventute" aufgehoben.
1964/65 erfolgte die Umbenennung in "Beratungsstelle und Sozialdienst für Frauen und Familien" mit insgesamt 8 Beschäftigten.
1969-1998 leitete Gabriela Seiler die Stelle, sie war seit 1964 bereits als Beraterin tätig. Seit 1998 ist Sandra Stanisic Eugster Stellenleiterin. Ihr untersteht ein Team von sieben Personen.

Seit 1998 arbeitet die Organisation an einem neuen Erscheinungsbild. Sie nennt sich seit 2002 "Verein Beratungsstelle für Familien", der die drei Beratungsstellen "Beratungsstelle und Sozialdienst für Frauen und Familien", "Unentgeltliche Rechtsauskunft", "Scheidungsberatung/Mediation St.Gallen" in einer Beratungsstelle zusammenfasst.

Büroräume:
1909-1912: Klosterschulhaus St.Gallen
1912-1914: Sitzungslokal des Stickereifachgerichtes, im Anbau des Regierungsgebäudes
1914-1918: Marktgasse 8, in den Räumen des Alten Museums
1918-1957: Katharinenkloster
1957-1977: St.Leonhardstr.17
ab 1977: Frongartenstr.16 (in Besitz der Israelitischen Gemeinde St.Gallen)

(Quellen: Statuten; Jahresberichte; 75 Jahre Beratungsstelle und Sozialdienst für Frauen und Familien, 1984; FrauenMachtGeschichte, Eidgen.Komm. für Frauenfragen)

Der Bestand enthält die Namen der folgenden Personen:

Handelsregistereintrag 1910:
Berta Bünzli, Vorsitzende
Dr. Louise Bloch-Reichenbach von Ermendingen, 1. Schriftführerin
Marie Reichenbach von St.Gallen, 2. Schriftführerin
Stephanie Bernet von St.Gallen, Sekretärin der Auskunfts- und Rechtsstelle
Mathilde Alther von St.Gallen, Beisitzerin
Jakob Schneider-Willi von St.Gallen, Kassier
Marcus Wyler von Ober-Endingen AG, Rechtsbeistand

Präsidentinnen
1909-1942: Bertha Aerne Bünzli (1874-1951)
1942-1943 M. Kirchhofer-Scherrer (interimsweise)
1943-1971: Marguerite Rehsteiner-Wegelin
1972-1991: M. Schlaepfer-Rohr
ab 1992: Ilka Heer-Schmitz

Sekretärinnen
1909-1932: 1. Sekretärin Stephanie Bernet (1857-1932)
1914-: 2. Sekretärin Meta Schuster (1880-1976)
1929-1932: Meta Schuster
1932-1957: Elsa Wyler

Stellenleiterinnen
1958-1971 : Berta Hohermuth (1903-1977)
1972-1997: Gabriela Seiler
ab 1998: Sandra Stanisic Eugster

Bestandsgeschichte Im Juni 2002 schenkte die Beratungsstelle für Familien dem AFGO die Tagebücher des Sekretariates der Vereinigung für Kinder- und Frauenschutz in St.Gallen sowie einige weitere Dokumente.
Form und Inhalt Der Bestand enthält: Selbstdarstellungen; Statuten; Jahresberichte; Jahresagenden des Sekretariates 1914-1964. Er umfasst Dokumente der Jahre 1910-2003 in 14 Archivschachteln.
Neuzugänge Eine Nachlieferung erfolgte im November 2010. Es werden keine weiteren Nachlieferungen erwartet.
Zugangsbestimmungen Der Bestand ist im Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz ohne Benutzungseinschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift Deutsch
Bearbeiter:in und Zeitraum der Verzeichnung Sabin Schreiber, 12.07.2002
Überarbeitung: Christina Nanz, 19.04.2023; Adriana Lusti, 15.06.2023
Verzeichnisgrundsätze

Bis ins Jahr 2010 verwendete das Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte bei der Erschliessung ein standardisiertes Klassifikationsschema mit einem vorgegebenen Dezimalsystem für die verschiedenen Kategorien (z.B. 10 = Selbstdarstellungen, 20 = Statuten/Reglemente). Die Seriennummern und -titel, der bis 2010 erfassten Bestände, basieren auf diesem Klassifikationsschema:

Eine weitere Besonderheit der Verzeichnung: Um die Namen von Frauen gezielt zu dokumentieren, wurde in den zuvor verwendeten Findmitteln jeweils ein eigenes Feld („Namenskarte“) definiert. Die Informationen sind nun im Feld „Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben“ zu finden.

Die Verzeichnung folgt dem internationalen Archivstandard ISAD(G).